Ich will nicht bestreiten, dass es ein besonderes Gefühl ist, wenn die eigene Tochter oder der eigene Sohn Eltern werden. Es passiert dabei etwas wie eine Initiation; sie stehen plötzlich auf derselben Stufe wie wir, und es kann eine neue besondere Verbundenheit entstehen in der Fürsorge um die gemeinsamen Nachkommen.
Das Grossmutter- oder Grossvater-Werden löst zudem bei einem selbst ganz neue Gefühle aus:
«Seine (des Enkels) Existenz hat mir zum Bewusstsein gebracht, was die Folge von Generationen in einer Familie bedeutet. Diese Kaskade des weitergehenden Lebens hat meinen eigenen Tod relativiert. Als Glied in einer Kette bekommt das Leben aus dieser Perspektive betrachtet einen anderen Wert. Die Kette wird weiter bestehen, auch wenn das eigene Leben erlischt.» Aus dem Buch von E. Schlumpf: «Enkel sind ein Geschenk», ISBN 978-3-466-30891-0, Kösel Verlag.
Grosseltern können heute sehr jung sein. Eine Freundin von mir wurde bereits mit siebenundvierzig Jahren Grossmutter. Es fragt sich, wieviel Zeit da noch für die Enkel bleibt neben der eigenen Familie, der Berufsarbeit, dem Haushalt und den Hobbies. Das alte Bild der gemütlich strickenden, allzeit verfügbaren Oma trifft nicht mehr zu.
Und dennoch bleibt die Aufgabe für die obere Generation dieselbe wie in früheren Zeiten:
Eine ganz wichtige Aufgabe der oberen Generation, ob nun leibliche Enkel da sind oder nicht, ist die Sorge um das Wohlergehen der nächsten Generationen. Im Buch «Lebensphase hohes Alter: Verletzlichkeit und Reife» von Andreas Kruse wird diese Aufgabe als sinnstiftendes Moment für alte Menschen betont oder, wie es Helga Gürtler in ihrem Buch «Kinder lieben Grosseltern» festhält:
«Wer Enkelkinder liebt, dem kann es nicht gleichgültig sein, wie die Welt aussehen wird, wenn die Enkel erwachsen sind.»
Zum Schluss ein Gedicht, zu dem mich mein Enkel inspiriert hat:
Eben rief mein Enkel an und fragte:
Wann kommst du zu uns?
Sein neues Fahrrad will er mir zeigen
und ein spannendes Game.
Dieser verflixte Gameboy! Ein richtiges Suchtmittel!
Aber ihm gefällt es
und ich spiele manchmal auch mit.
Nur ist er geschickter als ich.
Neulich kam er zu mir
und entdeckte mein Kinderbuch
mit der Geschichte von Schneewittchen.
Er wollte die Geschichte hören
und ich habe sie ihm erzählt.
Am Ende merkte ich:
ein richtiger Krimi,
nicht so weit weg von den heutigen DVDs.
Ja, mein Enkel zeigt mir, womit ein Kind heute aufwächst,
und dass es gar nicht einfach ist,
ein junger Mann zu werden
in unserer Gesellschaft.
Vorläufig ist er ein richtiger Bub,
fährt mit dem Fahrrad umher,
trifft andere Knaben
und kommt mit Schrammen und Kratzern nach Hause.
Doch abends,
zur Schlafenszeit,
wird er stiller
und kann ganz tiefsinnige Fragen stellen:
Was ist Freundschaft?
Was ist Liebe?
Wisst ihr die Antwort?
Text aus dem Buch «Enkel sind ein Geschenk».