Entschleunigung ist gut. Entschleunigung tut not im Stress und der Hektik unserer Gesellschaft. Aber die Entschleunigung im Alter, das Langsamerwerden, weil wir nicht mehr schneller können: Wie gehen wir damit um?
Nach meiner Knieoperation musste ich einige Male zum Physiotherapeuten gehen, bei dem ich mich beklagte, dass ich nicht mehr auf die Strassenbahn rennen könne. Er sah mich an und fragte: Müssen Sie denn das?
Diese Antwort hat mich nachdenklich gemacht. Ja, muss ich das? Ist es nicht vielmehr die alte Gewohnheit, ständig auf Trab zu sein, Dinge zu erledigen, weil das nächste Geschäft schon wartet? Und heisst für mich, diese Gewohnheit aufzugeben etwa eingestehen, dass ich nicht so weiter machen kann, weil die Kräfte abnehmen? Nicht, weil mein Knie noch nicht gesund ist?
Neulich ging ich die steilere Strasse in unserm Quartier hoch (es gibt auch eine flachere, aber die braucht mehr Zeit!). Ich musste stillstehen und Atem holen. Da fiel mein Blick auf eine wunderschöne kräftige Zeder in einem Garten. Ich wohne seit Jahrzehnten in dieser Gegend und habe sie noch nie gesehen. Da nicht anzunehmen ist, dass sie über Nacht zwanzig Meter hochgewachsen ist, muss ich wohl achtlos an ihr vorbeigegangen sein.
Im Weitergehen nahm ich einen frischen, würzigen Geruch nach Nadeln oder Harz wahr. Kam er von der Zeder oder von den Zweigen und Zäpfchen, die der Sturm vor zwei Tagen auf die Strasse gefegt hatte?
Nur in der langsamen Bewegung konnte ich diesen Duft aufnehmen. Also: neue Einstellung zur altersbedingten Langsamkeit. Einerseits ja, Geschwindigkeit ist nicht mehr möglich. Gedanken an früher oder Konkurrenz mit jüngeren Menschen einfach aufgeben. Anderseits den Zugewinn schätzen an Eindrücken und Schönheiten, welche die mit der Langsamkeit verbundene Achtsamkeit schenkt.